Serena

Das Bild, das wir sind

„Man erkennt nur, was man träumt.“ – Novalis

Ich weiß nicht, was ein Bild ist. Vielleicht ist es ein Moment, der aufblitzt, bevor er vergeht. Vielleicht ein Traum, der keine Zeit kennt. Vielleicht einfach eine Form der Zärtlichkeit für das, was sich nicht greifen lässt.

Ich fotografiere nicht, weil ich Antworten habe. Ich fotografiere, weil ich frage. Weil ich staune. Weil ich manchmal nicht weiß, wohin mit der Überfüllung des Augenblicks. Und weil ich glaube, dass jeder Moment ein Ort sein kann, an dem das Leben kurz innehält und sagt: Siehst du das auch?

Zwischen Jetzt und Nimmermehr

Ein Bild ist für mich keine Festlegung. Es ist ein Raum, der offen bleibt. Ich fotografiere nicht, um etwas zu besitzen. Ich fotografiere, um teilzuhaben. An einem Licht, einem Blick, einem Stück Leben, das mich nicht braucht, mir aber einen Platz anbietet und mir für einen Atemzug nahekommt.

Es gibt Bilder, in denen etwas zittert. Eine Falte auf einer Tischdecke. Ein Kind, das innehält. Eine Frau, die gerade noch lachen wollte. Diese Zwischenzustände, dieses „Gleich“ und „Schon“, dieses „Noch nicht“ und „Vielleicht nie wieder“ — das ist es, was mich bewegt, weil Worte es oft nicht tragen können

Der Spiegel, hinter dem ich mich verstecken will

Ich habe gelernt, dass jedes Bild auch ein Spiegel ist. Aber es geht mir nicht darum, mich zu erkennen. Es geht mir darum, mich zu verbergen. Hinter einem Licht, hinter einer Bewegung, hinter einem Moment, der mir erlaubt, teilzuhaben, ohne mich selbst festzulegen.

Ich sehe Licht auf Haut und erfahre: Wie schön, dass es das gibt.

Meine Kamera ist kein Schutz. Sie ist eine Einladung, verletzlich zu bleiben. Offen zu bleiben. Zu bleiben.

Ich taste mich voran, nicht weil ich glaube, irgendwann alles zu verstehen, sondern weil ich spüre: Vielleicht ist das Leben selbst der Spiegel, hinter dem wir uns verstecken, und doch manchmal durchschimmern.

Hingabe an das Illusionstheater des Lebens

Ich will das Theater nicht verlassen. Ich will mitspielen. Ich will glauben, dass das, was wir erleben, Bedeutung hat, auch wenn ich weiß, dass mir die Mittel fehlen, sie zu erkennen.

Liebe, Sehnsucht, Verlust — sie erfüllen uns, und sie tun weh. Aber sie sind die Orte, an denen wir wirklich sind.

Ich erinnere mich nicht an das Staunen. Das Staunen ist in mir. Es ist nicht etwas, das ich verloren habe, sondern etwas, das mich atmen lässt.

Ich will das Leben nicht verstehen. Ich weiß, mir fehlen die Werkzeuge dazu. Aber ich kann mich ihm annähern. Indem ich selbst zum Werkzeug werde. Indem ich Mittel werde. Zumindest für einen Moment.

Fotografie ist für mich nicht Festhalten, – es ist das Teilen eines Atemzugs mit der Welt.

´Joerg Alexander / Berlin / Dienstag, 29.04.25  

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