Über das Kopieren, das Sehen – und die Verantwortung für ein Bild

Notes :

Wie verändert sich mein Blick, wenn Bilder nicht mehr durch die Linse, sondern durch Sprache entstehen?

Ich bin Fotograf. Ich arbeite mit der Kamera. Mit Licht. Mit Körpern. Mit Zeit. Aber ich arbeite auch mit Maschinen, mit KI, mit Algorithmen. Ich schreibe Bilder, ohne sie aufzunehmen. Und manchmal frage ich mich:

Was bleibt von mir im Bild?

Das macht den Unterschied

Ich habe gelernt zu sehen – mit der Hand, mit dem Körper, mit Geduld

Meine fotografische Praxis ist analog gewachsen. Ich habe entwickelt, vergrößert, geschaut. Ich habe gelernt, dass ein Bild aus mehr besteht als dem Moment. Es besteht aus dem Davor – und dem Danach. Es besteht aus dem Ort, dem Licht, dem Geräusch der Straße. Aus dem Atem des anderen. Ich war dort. Ich habe gewartet. Gezögert. Gewählt. Ich habe Bilder gemacht, die vielleicht auch andere gemacht haben – aber ich war da. Ich habe mich eingelassen.

Und das macht den Unterschied.

Was macht ein Bild zum meinen?

Diese Frage lässt mich nicht los.

Vor allem seit ich generative Fotografie nutze. Seit ich Bilder erschaffe, die ich nie fotografiert habe. Oder doch?

Ich schreibe Prompts, ich komponiere, ich verwerfe, ich korrigiere. Ich arbeite mit Erinnerung, mit Gefühl, mit Atmosphäre. Ich nähere mich einem Bild nicht durch Technik, sondern durch Vorstellung. Aber ich weiß auch: Diese Bilder können andere erzeugen. Schnell. Beliebig. Was bedeutet das für meinen Anspruch? Für meine Autorschaft?

Ich bin irritiert.

Denn ich erkenne, wie leicht es geworden ist zu kopieren. Nicht nur im Generativen. Auch im Analogen. Wie viele Fotografen haben die Küche von ‚Jocy‘ in Havanna fotografiert?

Wie oft sehen sich die Bilder zum Verwechseln ähnlich?

Präsenz allein genügt nicht - aber sie zählt.

Ich war da.

Ich habe den Raum gespürt, den Geruch, die Geschichte. Ich habe nicht nur ein Bild gemacht – ich habe einen Moment verantwortet. Und ja – auch das kann zur Pose werden. Aber es ist dennoch etwas anderes, als nur ein Bild zu erzeugen, das aussieht wie ein echtes.

Der Unterschied liegt nicht im Stil, sondern im Blick

Ich habe auch im Analogen kopiert. Unbewusst. Weil ich beeinflusst bin. Weil ich Teil eines visuellen Gedächtnisses bin. Aber: Ich versuche, mich zu befragen. Ich versuche, meine Bilder nicht als Beweise zu begreifen, sondern als Vorschläge. Auch generative Bilder sind keine Antworten. Sie sind Skizzen eines inneren Archivs. Fragmente eines Sehens, das sich nicht auf die Welt verlassen will – sondern auf die Vorstellung davon.

Ich bin nicht der Urheber

Aber ich übernehme Verantwortung für das Bild.

Vielleicht bin ich kein Urheber im rechtlichen Sinn. Aber ich bin der, der entscheidet. Der auswählt. Der einen Rhythmus setzt, eine Spannung, eine Störung. Ich bin nicht der Schöpfer. Aber ich bin der Autor eines Blicks.

Und manchmal reicht das.

Joerg Alexander / Berlin / 29.05.2025 

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